Schlagabtausch in Haushaltsdebatte

Bad Vilbels Stadtverordnete haben am Dienstagabend final über den vorgelegten Doppelhaushalt 2023/24 abgestimmt. Die Standpunkte waren dabei längst keine Überraschung mehr.

09. Februar 2023

von WPA / Wetterauer Zeitung

Einig waren sich Bad Vilbels Stadtverordnete am Dienstagabend im Dortelweiler Kultur- und Sportforum bei einigen Punkten. So erhalten die Wetterauer Vereine »Frauen helfen Frauen«, »Wildwasser« und »Frauen-Notruf« künftig anstatt 1790 nun 2500 Euro. Bei »Pro familia« erhöht sich die Unterstützungssumme von 1000 auf 1400 Euro.

Dem gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und Grünen folgten auch FDP, AfD, FW und der fraktionslose Michael Wolf. Die Stadt tritt außerdem dem Verein »Philip Julius« bei, der sich für Familien mit schwerstbehinderten Kindern einsetzt. Außerdem wird die Stadt »Rhein. Main.Fair. e. V.« beitreten.

Klimaschutz- und Citymanager

Mit der Einigkeit sollte es dann aber auch größtenteils gewesen sein. Die Haushaltsreden der Fraktionen sind traditionell die längsten Reden des Jahres und so holten alle Parteien zu langen Zusammenfassungen und Rundumschlägen aus.

Die Koalition aus CDU und SPD lobte den ersten eingebrachten Haushalt von Erstem Stadtrat und Kämmerer Bastian Zander. CDU-Fraktionsvorsitzende Irene Utter sagte: »Wir sind sehr zufrieden und beschränken uns nur auf wenige Ergänzungsanträge.« Die solide Haushaltsführung von Ehrenbürgermeister Thomas Stöhr ermögliche es, trotz Krise eindrucksvolle Investitionen umzusetzen. Stadthalle, neues Hotel, Innenstadterneuerung, Günther-Biwer-Platz. Utter dankte Ehrenstadtrat Klaus Minkel und Klaus Rotter von den Stadtwerken, »die sich nie haben entmutigen lassen«, sowie Kulturamtsleiter Claus-Günther Kunzmann, der in die Vilco-Planungen einbezogen war.

Die Fraktionsvorsitzende blickte in die Zukunft. Sie freue sich auf den neuen Citymanager, der die Arbeit des Stadtmarketings verstärken werde. Auch ein Klimaschutzmanger werde kommen. »Und der jahrzehntelang geplante S-Bahn-Ausbau wird sich dem Abschluss nähern und dem Klimaschutz dienen.«

Zzwischen Kritik und Enthaltung

SPD-Fraktionsvorsitzende Mirjam Fuhrmann, die größtenteils dieselben Punkte in ihrer Rede abarbeitete, schloss sich an.

Die Koalition habe sich ehrgeizige Ziele gesetzt. »Wir werden die Digitalisierung vorantreiben und die städtische Verwaltung zu einer noch moderneren, effizienteren, leistungsfähigeren und bürgerfreundlicheren Institution ausbauen.« Es freue sie und die gesamte SPD, dass es der Koalition gelungen sei, die Erzieherinnen und Erzieher eine Entgeltstufe anzuheben. »Sie haben es verdient.« Die neue Stadthalle werde ein neues Aushängeschild, »dass das ohnehin schon hervorragende und vielfältige Kulturangebot Bad Vilbels erweitern wird«.

Diesen Lobeshymnen folgten die Grünen nicht. Tobias Grabo sagte, dass man im Haushalt nur wenige gute Ansätze sehe, wie beispielsweise die bessere Bezahlung von Erziehern. »Aber in Summe betrachtet ist die Gesamtausrichtung des Haushalts nicht zukunftsweisend.« Klimaschutz, Integration, Digitalisierung - »obwohl für diese drängenden Herausforderungen zu wenig Mittel eingeplant sind, sieht die aktuelle Haushaltsplanung eine erhebliche Neuverschuldung vor«. Das liege nicht nur an Inflation und steigenden Kosten, »sondern auch daran, dass wir uns ziemlich viel leisten«. Allen voran der Bau der Vilco werde alleine 70 Millionen Euro kosten. »Und nicht nur das. Es werden Jahr um Jahr 3,7 Millionen Euro an Betriebskosten anfallen. Das entspricht dem zehnfachen dessen, was die Stadt unter der Produktgruppe Jugendarbeit im Haushalt einplant.«

FDP-Fraktionsvorsitzende Julia Russmann sagte, dass das Bild Bad Vilbels als lebenswerte Stadt »bröckelt«. Davon würden Leerstände in der Innenstadt zeugen. »Gerade die Koalition mag es gerne, große Reden zu halten. Mit lauter Stimme und Zwischenkommentaren wird eine Politik der versuchten Einschüchterung gefahren«, sagte sie, was für lautes Gelächter in den Reihen von CDU und SPD sorgte.

Die FDP brachte Anträge ein für eine zusätzliche Stelle des Stadtmarketings oder für die Errichtung eines »Forums 2035«. Beide wurden abgelehnt. Die FDP sehe gute Ansätze im Haushalt, so Russmann. »Wir können aber nicht zustimmen und müssen uns enthalten.«

Raimo Biere (AfD) schloss sich dem an. Biere lobte das Investitionsprogramm und viele Punkte des Haushalts. Für die kommende Grundsteuerreform wünsche er sich, dass man interfraktionell eine Lösung erarbeite, wenn es so weit ist.

Der fraktionslose Michael Wolf bezeichnete den Haushalt als Antwort auf Fragen von gestern. »Er schwächelt bei drei Punkten. Verkehr, Wohnraum und Umwelt.« Die Grünen stellten Änderungsanträge zu den Themen Integrationsbeauftragter, mehr Geld für Digitalisierung und Klimaschutz, die im Haupt- und Finanzausschuss bereits auf Ablehnung gestoßen waren.

Mirjam Fuhrmann (SPD) sagte: »Würden wir ihren Anträgen, so obsolet sie auch sind, in Gänze zustimmen, hätten wir einen nicht genehmigungsfähigen Haushalt. So sieht eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik in meinen Augen aber nicht aus.«

Für den Doppelhaushalt, der damit angenommen wurde, stimmten letztlich CDU, SPD und FW. FDP und AfD enthielten sich. Grüne und Michael Wolf stimmten dagegen.

Im Bad Vilbeler Stadtteil Gronau soll ein neues Baugebiet zwischen Nidda und Dortelweiler Straße entstehen. Die FDP hält das trotz ursprünglicher Zustimmung für den Aufstellungsbeschluss für keine gute Idee mehr.

In ihrer Haushaltsrede hat die Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten, Julia Russmann, in der Stadtverordentenversammlung begründet, warum die FDP forderte, die eingeleiteten Planungsarbeiten einzustellen und das Gebiet nicht zur Wohnbebauung zu entwickeln. Sie sagte: »Entgegen aller Warnungen von Expertinnen und Experten, die Fläche um die Nidda nicht weiter zu versiegeln, soll nun genau das geschehen. Dabei ist Gronau selbst vergangenes Jahr zum Opfer von Hochwasserschäden geworden - genauso wie 1995, 2003, und 2011.« Es würden falsche Impulse gesetzt. »Es soll neuer Wohnraum geschaffen werden, ohne Rücksicht auf Natur oder Kapazitäten. Neben der Hochwassergefahr zeichnet sich nämlich auch hier eine massive Verschlechterung der Verkehrs- und Parksituation ab, ein Problem, das wir zurzeit auch ohne weitere Bebauung kaum in den Griff bekommen zu scheinen. Schade, dass es hier keine weiteren Ordnungspolizisten geben wird, um das zu regeln.« Damit spielte Russmann auf einen abgelehnten Antrag ihrer Fraktion an. Die FDP hätte gerne zwei neue Stellen bei Ordnungspolizei geschaffen. Erster Stadtrat Bastian Zander hatte jedoch in einer Ausschussitzung bereits erklärt: »Wir wollten es machen, aber es war leider nicht mehr drin.« Der FDP-Antrag bezüglich des Baugebietes in Gronau stieß nicht gerade auf viel Gegenliebe.

Gronaus Ortsvorsteher Karl Peter Schäfer (CDU) sagte, dass es eine Petition gegen das Baugebiet gebe, »die auch das nötige Quorum erreicht hat«. Mit dem Aufstellungsbeschluss werden jetzt Gutachten erstellt. »Wir werden auch die Argumente der Bürger anhören.«

Für Janis Ahäuser (SPD) ist die Petition ein gutes Beispiel für Demokratie und Bürgerbeteiligung. Es sei jedoch auch unbestritten, dass Wohnraum gebraucht werde. »Mit den Gutachten und Untersuchungen werden wir uns auf einen Prozess begeben.«

Raimo Biere (AfD) verstand den Antrag der FDP nicht. »Der Aufstellungsbeschluss heißt doch überhaupt nicht, dass dort direkt gebaut wird, sondern erst mal, dass dort überprüft wird, ob dort gebaut werden kann.« Deshalb müsse man abwarten, was die Gutachten zeigen.

SPD-Fraktionsvorsitzende Mirjam Fuhrmann sagte: »So manch eine Äußerung lässt mich allerdings ein wenig nachdenklich zurück.« Sie adressierte die Kritiker des Gebietes. »Meist ist sich die Gesellschaft einig, dass neuer Wohnraum, vor allem bezahlbarer, entstehen muss. Aber anscheinend bitte nicht vor meiner Haustür, denn ich habe ja ein Eigenheim oder eine Wohnung und der Wert dieses Objektes könnte sinken. Auch vermehrter Verkehr soll bitte nicht vor der eigenen Haustür entstehen. Selbst beansprucht man aber einen jederzeit verfügbaren Parkplatz vor der eigenen Haustür. Oder aber es werden Umweltbedenken vorgeschoben, obwohl das eigene Haus nur wenige Meter weiter steht. Ich finde diese Haltung denjenigen gegenüber, die dringend Wohnraum suchen und in Bad Vilbel bleiben oder gerne hier hinziehen wollen, sehr unfair und würde mir wünschen, dass diejenigen ihre Haltung noch einmal überdenken.«

Der Antrag der FDP wurde bei Enthaltung von Michael Wolf von CDU, SPD, Grünen, AfD, und FW abgelehnt.

Back