Sorgen im Frauenhaus

Düstere Zeiten: Im Frauenhaus fehlt es an finanziellen Mitteln und Personal - und das bei steigenden Fallzahlen, bemängelt der Verein Frauen helfen Frauen. SYMBOLFOTO: DPA

24. Juni 2022

von Redaktion / Wetterauer Zeitung

Fälle häuslicher Gewalt im Wetteraukreis steigen

Zwei Jahre Pandemie hinterlassen ihre Spuren: Der Friedberger Verein Frauen helfen Frauen Wetterau zeigt sich besorgt in Hinblick auf die neuen Zahlen der Opfer von häuslicher Gewalt. Auch der Wetterauer FDP-Politiker Dr. Jörg-Uwe Hahn warnt vor der Entwicklung (siehe Info). Wie aus seiner Kleinen Anfrage an die hessische Landesregierung hervorgeht, sind die Fälle häuslicher Gewalt im Wetteraukreis im Vergleich zu den Vorjahren stark gestiegen. Waren es 2019 noch 299 Fälle, so stieg die Zahl im Jahr 2020 auf 303 und im vergangenen Jahr auf 346 Fälle, die polizeilich gemeldet wurden.

Angesicht der Zahlen will Bundesfamilienministerin Lisa Paus den Zugang zu Schutz und Beratung bundesgesetzlich regeln, einen einheitlichen Rechtsrahmen für die finanzielle Absicherung des Hilfesystems schaffen und dieses bedarfsgerecht ausbauen.

Frauenhaus fehlt das Personal

Als Trägerverein des Frauenhauses Wetterau und der Beratungs- und Interventionsstelle für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen begrüßt der Friedberger Verein die Bestrebungen der Regierung. Die Bereitstellung für 120 Millionen Euro für den bundesweiten Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen sei erfreulich. Doch seien die Mittel nur für bauliche Maßnahmen zur Platzerweiterung oder für Neubauprojekte gedacht, sagt Ferhan Isfen vom Frauenhaus. Der bürokratische Aufwand bei der Antragsstellung sei hoch; auch sei keine adäquate Aufstockung des Personals im Frauenhaus berücksichtigt wurden, kritisiert sie für den Verein. Das reiche nicht, um Frauen genügend Schutz vor Gewalt zu bieten. »An vielen anderen Stellen sind die Hürden unabdingbar zu hoch. Die personelle Unterbesetzung und Fachkräftemangel in den hessischen Frauenhäusern, aber auch in anderen Institutionen und Behörden ist in diesem zweiten Corona-Jahr besonders dramatisch geworden«, sagt Isfen.

Folgen des Missstands: längere Integrationsprozesse sowie erhebliche Hindernisse in Orientierungs- und Stabilisierungsphasen und bei der Entwicklung von Lebensperspektiven der Frauenhausbewohnerinnen. »Es fehlt im Wetteraukreis nach wie vor an Integrations- und Arbeitsmaßnahmen mit Kinderbetreuung, entsprechende Wohnkapazitäten für alleinerziehende Frauen mit und ohne Kinder, die Sozialhilfeleistungen beziehen.«

Die Problematik der hohen Zahl von Opfer von häuslicher Gewalt sei multidimensional. »Frauen, die von Partnerschaftsgewalt betroffen sind, bleiben oft bei ihren Männern, weil es nicht möglich sei, Wohnraum zu finden.« Oder sie hätten mit Vermietern zu tun mit Vorbehalten gegenüber Alleinerziehenden, Hartz-IV-Empfängerinnen oder Frauen mit Migrationshintergrund. »Klientinnen in unserer Beratungsstelle, die kein oder wenig Deutsch sprechen, bekommen von Jobcenter Sanktionen auferlegt, Leistungen werden einfach eingestellt. Frauen sind dann so verzweifelt, sie kommen nicht nur wegen ihrer Gewalterfahrung zu uns, sondern auch, weil sie strukturelle Gewalt erleben«, erklärt eine Frauenhaus-Mitarbeiterin. Zwei Drittel aller Bewohnerinnen seien während ihres Aufenthalts im Frauenhaus im SGB II-Leistungsbezug. Finanzielle Nöte seien auch ein Grund, sich nicht vom gewalttätigen Partner zu trennen.

Frauen, die es doch tun, würden mitunter durch den Umzug in eine Schutzeinrichtung ihren Job, ihr soziales Netz und die Kinderbetreuung verlieren. »Wohingegen der Radius des Täters gleich groß bleibt und gesellschaftlich kaum Schaden erfährt.«

Therapie mit Anti-Gewalt-Training spiele in familiengerichtlichen Verfahren so gut wie keine Rolle, obwohl Angebote vorhanden seien. »Stattdessen wird oftmals versucht, beiden Elternteilen eine Erziehungsberatung zwecks Konfliktbeilegung aufzuzwingen, was für gewaltbetroffene Frauen unzumutbar ist. Das kann auf Dauer keine Lösung sein. Wir erleben immer wieder, dass Väter massiv gegen die Mutter agieren, häufig mit absurden und völlig inadäquaten Auswüchsen. Dennoch wird hier in der Regel nicht eingegriffen.« Das sei ein gesamtgesellschaftliches Problem.

 

Der Verein Frauen helfen Frauen Wetterau bietet Unterstützung für alle Frauen ab 18 Jahren an, die von häuslicher Gewalt betroffen oder bedroht sind. Infos: www.frauenhaus-wetterau.de

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