Zuflucht vor Männer Gewalt

 

Der Wohnungsmarkt macht den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses in Friedberg zu schaffen. Leiterin Illona Geupel (l.) und Stellvertreterin Susanne Klein beklagen, dass ihre Frauen keine bezahlbaren Wohnungen mehr finden. Susanne Klein dazu: "Wir hatten eine Frau, die war zwei Jahre bei uns. Geplant sind sechs Monate. Das ist ein riesiges Problem."

 

 

Zuflucht vor Männer-Gewalt

 

Wenn Frauen von Männern geschlagen werden, können sie die Polizei rufen. Die versucht zu helfen. Aber manche Männer gehen lieber ins Gefängnis, als die Frau, die sie als ihren Besitz ansehen, zu verlieren, sagt die Leiterin des Friedberger Frauenhauses Illona Geupel. Das Frauenhaus kann in solchen Fällen Schutz bieten. Aber nicht alle Frauen sind bereit, sich von ihren schlagenden Männern zu trennen. Warum das gerade auf dem Land ein Problem ist, erzählt Geupel der WZ.

 

Die Leiterin des Friedberger Frauenhauses Illona Geupel und Stellvertreterin Susanne Klein helfen von Gewalt betroffenen Frauen. Warum müssen Frauen überhaupt in Ihrem Frauenhaus Schutz suchen? Schützen sie die Polizei und die Gesetze nicht genug?

ILLONA GEUPEL: Das ist nicht das Problem. Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Polizei. Das Problem ist, dass es den Männern egal ist. Die sagen sich, bevor ich mir hier meinen Besitz wegnehmen lasse, gehe ich lieber in den Knast.

SUSANNE KLEIN: Es gibt da schon Probleme. Zum Beispiel kann es sein, dass sich ein Mann der gemeinsamen Wohnung nicht mehr nähern darf. Wenn er es doch macht, muss er noch vor Ort sein, wenn die Polizei kommt. Sonst kann die Polizei nichts machen. So eine Situation führt dazu, dass Frauen sagen: "Jetzt nehme ich die Kinder und verlasse die Wohnung."

Wie viele Frauen leben zur Zeit im Frauenhaus in Friedberg?

KLEIN: Wir sind gerade überbelegt. Normalerweise haben wir Platz für neun Frauen, aber im Moment wohnen elf bei uns.

GEUPEL: Es ist zur Zeit ganz schwierig, dass die Frauen in eigene Wohnungen ziehen können. Der Wohnungsmarkt hier hat sich in den letzten Jahren sehr ins Negative entwickelt. Die Frauen, die bei uns wohnen, müssen ja meist einen Neuanfang machen. Sie leben von Jobcenter-Bezügen. Wenn sie eine Wohnung suchen, dann sind sie an die Mietobergrenzen des Jobcenters gebunden. Und finden Sie da mal eine Wohnung.

Der momentane Wohnungsmarkt sorgt bei Ihnen also dafür, dass Frauen nicht aus dem Frauenhaus können?

KLEIN: Ja. Das betrifft bei uns gerade die Hälfte der Frauen. Sie sind eigentlich schon so weit, wir nennen das Verselbstständigungsphase, und wir versuchen mit den Frauen eine Wohnung zu finden. Wir hatten eine Frau, die war zwei Jahre bei uns. Geplant sind sechs Monate. Das ist ein riesiges Problem.

GEUPEL: Dass eine Frau über ein Jahr im Frauenhaus war, hatten wir 31 Jahre lang nicht. Es gab immer mal schwierige Fälle, in denen es länger gedauert hat, aber bis vor zwei Jahren gab es das bei uns nicht. In den Großstädten hatte man das Problem schon früher, jetzt ist es auch bei uns. Da muss sich etwas beim sozialen Wohnungsbau ändern.

Können Sie weitere Entwicklungen beobachten?

GEUPEL: Was wir feststellen, ist, dass sich Flüchtlingsfrauen erst jetzt melden, obwohl sie schon vor Jahren hierhergekommen sind. Vielleicht weil sie erst einmal ankommen mussten. Vielleicht aber auch durch unsere Aufklärungsarbeit und unser neues Info-Material. Das haben wir in mehrere Sprachen übersetzt und auch in Flüchtlingsunterkünften verteilt. Dadurch haben die Frauen hoffentlich verstanden: "Diese Gewalt, die muss ich nicht hinnehmen."

KLEIN: Eine neue Entwicklung, die mir aufgefallen ist, betrifft obdachlose Frauen. In den letzten Jahren haben wir massiv Anfragen von obdachlosen Frauen erhalten. Die wissen oftmals einfach nicht, wohin und versuchen, bei uns unterzukommen. Aber wir nehmen ja nur Frauen auf, die von Gewalt bedroht sind.

GEUPEL: Da liegt dann das Problem. Die Frauen brauchen nur ein halbes Jahr auf der Straße zu leben, dann sind sie von Gewalt bedroht. Da muss man im Vorfeld viel mehr für die Frauen tun. Das wird von den Wohlfahrtsorganisationen auch als Problem wahrgenommen.

Wie helfen Sie den Frauen, die zu Ihnen kommen?

GEUPEL: Wir unterstützen sie bei sämtlichen Behördengängen, Anträgen und dem ganzen Papierkrieg. Aber was wir nicht ersetzen können, ist der Austausch der Frauen untereinander. Das gibt ihnen ein Gefühl von "wir sind nicht alleine in der Welt". Das sagen wir zwar auch, aber das ist eine andere Ebene.

KLEIN: Gerade das Gefühl, nicht alleine zu sein, ist wichtig. Gewalt ist ja sehr schambesetzt. Wenn Frauen sich aus so einem Beziehungsgefüge trennen, dauert es lange, bis sie sich wieder etwas selbst zutrauen. Da muss ich auch sagen, dass ich es schade finde, dass das im Moment nicht nachhaltiger funktioniert.

Was meinen Sie damit?

KLEIN: Wenn Frauen hier bei uns wieder auf die Füße kommen und sich ein Leben aufbauen, muss es auch möglich sein, dass sie hier in der Stadt weiter wohnen können und nicht wegen des Wohnungsmarktes wieder umziehen und woanders wieder von vorn beginnen müssen.

Wie viele Frauen aus dem Wetteraukreis kamen im letzten Jahr zu Ihnen in die Beratungs- und Interventionsstelle?

GEUPEL: 105 Frauen waren im letzten Jahr bei uns in der Beratung. 103 davon kamen aus dem Wetteraukreis. Das sind aber fast nur die Frauen aus dem Westen der Wetterau. Im Osten bietet der Frauen-Notruf in Nidda eine Beratungs- und Interventionsstelle an. Für hilfesuchende Frauen ist es wichtig, Beratung wohnortnah zu erhalten.

Und von diesen Frauen kommen dann auch welche zu Ihnen in das Frauenhaus?

GEUPEL: Nein. Das wäre viel zu gefährlich. Eine Frau, die zum Beispiel aus Friedberg stammt, kann nicht drei Straßen weiter in das Frauenhaus gehen. Die Frauen von hier werden an andere Frauenhäusern vermittelt, und zu uns werden im Gegenzug Frauen aus anderen Gebieten geschickt.

KLEIN: In der Regel vermitteln wir innerhalb Hessens. Wenn hier alles belegt ist, aber auch bundesweit.

Seit wann gibt es das Frauenhaus in Friedberg?

GEUPEL: Seit mittlerweile 33 Jahren. Es ist zu einer Zeit gegründet worden, in der man noch gesagt hat: "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich" und "Das sind Familienangelegenheiten, die gehen keinen was an." Gerade in der Wetterau hat man da oft zu hören bekommen: "Wir leben hier auf dem Land, da brauchen wir das nicht. Gewalt gegen Frauen gibt es bei uns nicht." Nach Gründung des Frauenhauses hat man schnell festgestellt, wie nötig es gerade auf dem Land ist.

Warum ist gerade auf dem Land ein Frauenhaus nötig?

GEUPEL: In ländlichen Regionen fällt es Frauen schwerer, Beziehungen zu verlassen, in denen sie Gewalt erfahren. Einmal weggegangen, weiß es das ganze Dorf. Da wird dann darüber geredet, und die Frau weiß nicht mehr vor und zurück. Die Entscheidungen sind für die Frauen auf dem Land also viel verbindlicher als in der Stadt, wo man nicht einmal seinen Nachbarn kennt. Hier urteilt das ganze Dorf über einen, was großen Druck auf die Frauen ausübt.

Wenn eine Frau dieses Interview liest, die Opfer von Gewalt ist, was raten Sie ihr?

GEUPEL: Anrufen, sich beraten lassen, Hilfe in Anspruch nehmen und mit anderen darüber reden. Gewalt ist nichts, was man zu verantworten hat, sondern etwas, was man erleidet. Es ist ein Unrecht. Man muss sich nicht schämen, wenn einem Gewalt angetan wird.

KLEIN: Wir haben unterschiedliche Kontaktmöglichkeiten, unter denen Frauen sich melden können. Man kann uns anrufen, eine E-Mail schreiben, auf unserer Webseite das Kontaktformular benutzen oder ein Fax schicken.

Und was wollen Sie einem Schläger sagen, der das Interview liest?

GEUPEL: Unser Frauenhaus hat einen sehr hohen Sicherheitsstandard. Es ist nicht per Schlüssel zugänglich und hat eine automatische Beleuchtungsanlage drum herum. Die Polizei würde bereits, wenn jemand herumlungern würde, sofort kommen. Und zuletzt: Wir sind wehrhaft! Hände weg von unseren Frauen und von uns!

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